Gauting und seine römische Vergangenheit

3. Funde in Bratananium

3.1 Geschichte der Ausgrabungen (ab 1930)
3.2 Bauliche Erkenntnisse
3.3 Kleinfunde
3.3.1 Terra Sigillata und Glas.
3.3.2 Münzen und Schmuck
3.3.3 Metall und Werkzeug

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3. Funde in Bratananium

3.1 Geschichte der Ausgrabungen (ab 1930)

Bis zum Jahr 1930 war eine römische Vergangenheit Gautings praktisch unbekannt. Durch eine rege Neubautätigkeit am Südrand des Bauerndorfes in den folgenden 2 Jahrzehnten stieß man aber immer wieder auf Zeugnisse aus der Vergangenheit.
Es wurde damit evident, daß der auf der Tabula Peutingeriana genannte Ort Bratananio dem modernen Ort Gauting zuzuordnen war.Im Jahr 1936 folgte eine weitere Ausgrabungskampagne, bei der die Fundamente eines Wohnhauses und eines Badegebäudes gefunden wurden.(Abb. 5) In der Zeit nach dem Krieg wurde im sog. Reismühler Feld sehr intensiv weitergebaut, jedoch ohne archäologische Kontrolle, so daß anzunehmen ist, daß eine Vielzahl von Zeugnissen der Römerzeit verloren gegangen sind.Bis Mitte der Fünfzigerjahre wurden weitere bedeutende Einzelfunde gemacht, danach legte aber niemand mehr ein besonderes Augenmerk auf archäologische Erkenntnisse, da der einzige ernsthaft Interessierte, Dr. Wolfgang Krämer, verstarb.Die damalige Fundsituation blieb bis Anfang der Achtzigerjahre unverändert.Erst danach entwickelte sich ein neues, breiteres Interesse an derartigen Fragen.Im Jahr 1984 war eine Grabung etwa 600 m südlich der heutigen Ortsgrenze ein erster Schritt. Dabei kamen überraschenderweise Teile einer römischen Standarte zum Vorschein.(Abb. 6) Es handelte sich dabei um 2 springende Löwen sowie 4 Löwen-doppelköpfe aus Bronze. Dies ist insofern ein außerordentlicher Fund, als bisher in ganz Europa nur etwa ein halbes Dutzend Vergleichsstücke bekannt sind. Die vollständigsten Stücke stammen aus Flobeq (Belgien) und vom Großen St. Bernhard. Ab 1992 wurden dann weitere, von dem Archäologen Stefan Mühlemeier geleitete Ausgrabungen durchgeführt. Es wurde das Gräberfeld im Süden, die sog. Herberge und eine Reihe von weiteren Einzelobjekten ausgegraben.
Im Jahr 1998 wurde die Gesellschaft für Archäologie und Geschichte - Oberes Würmtal gegründet, deren Mitglieder durch ihre ehrenamtliche Mitarbeit ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Gewinnung weiterer Erkenntnisse darstellen.

3.2 Bauliche Erkenntnisse

Es hat sich herausgestellt, daß Bratananium eine wichtige Siedlung mit einigen öffentlichen Gebäuden und einer großen Anzahl privater Wohnanlagen war. Offensichtlich lebte hier eine bedeutende Anzahl von Händlern und Handwerkern, was an einer wichtigen Straßenkreuzung nicht verwundert. An öffentlichen Gebäuden ist zu nennen: das oben genannte Badegebäude, ein großes, massives Steingebäude, das bis jetzt als Speicher ("Horreum") gedeutet wird, und zuletzt die Straßenstation mit einem zentralen Bau mit Badetrakt als massive Steinbauten sowie Nebengebäuden in Fachwerkbauweise.(Abb. 7) Bratananium war also eine der genannten mansiones. Sowohl das große Badegebäude als auch der Badetrakt der mansio zeigen, daß man mittelmeerische Zivilisation auch in nördlichen Breiten schätzen lernte. Die privaten Gebäude waren überwiegend sog. Streifenhäuser, schmal und extrem lang, mit einem Wirtschaftsteil im rückwärtigen, der Straße abgewandten Bereich. Es ist anzunehmen, daß die äußere Erscheinung entlang der Römerstraße (Abb. 8) eine gewisse Ähnlichkeit mit den aus Westernfilmen bekannten Siedlungen im Wilden Westen der USA hatte.Allerdings liegen auch Zeugnisse einer gehobenen, privaten Wohnkultur vor: im Juli 2000 wurden die Reste einer Fußbodenheizung (hypocaustum) eines privaten Hauses ausgegraben. Diese Einrichtung sowie Reste von bemaltem Wandputz zeigen, daß auch wohlhabende Leute in Bratananium wohnten.
Die bis jetzt gewonnenen Erkenntnisse aus dem Gräberfeld lassen den Schluß zu, daß es sich um eine Einwohnerzahl in der Größenordnung von 400 - 500 handelte.

3.3 Kleinfunde

Spektakuläre Funde wurden schon in der Anfangszeit der Grabungen gemacht. So kam 1930 ein Lagerraum eines Keramikhändlers zum Vorschein, in dem ca. 40 ganze und mehr als 200 zerbrochene Tonkrüge geborgen werden konnten.(Abb. 9) 1947 entdeckte man unweit dieser Stelle ein Terra Sigillata Verkaufslager, aus dem über 5000 Scherben ans Tageslicht kamen.Bei jeder weiteren Grabung werden Keramik- und Terra Sigillata-Reste, Tierknochen, Metallteile usw. gefunden.Beispielsweise erbrachte die Grabung 1999 Kleinfunde mit einem Gesamtgewicht von ca. 250 kg.

3.3.1 Terra Sigillata und Glas.

Aufgrund des soeben genannten Lagers mit Terra Sigillata hat Gauting bzw. Bratananium einen guten Namen in der Fachwelt. Die Funde wurden Norbert und Irmingard Walke intensiv ausgewertet und publiziert und gelten als zuverlässige Referenz für andere Wissenschaftler. Die Auswertung ergab, daß dieses feine Tafelgeschirr überwiegend aus Süd-Gallien (Lezoux, Banassac, La Graufesenque) und aus Ost-Gallien (Rheinzabern) importiert wurde.
In den späteren Grabungen wurden regelmäßig weitere Terra Sigillata Scherben gefunden, die bei der jeweiligen Datierung der Fundsituation helfen.
Glas hoher Qualität kam aus Ungarn, Köln und Oberitalien.

3.3.2 Münzen und Schmuck

Münzen sind ein entscheidendes Hilfsmittel zur Datierung von Befunden, und erfreulicherweise werden sie immer wieder gefunden.
Man sollte sich vor Augen halten, daß zur Zeit der Römer reichsweit ein einheitliches Münzsystem galt, das auch überall angenommen wurde. Ein interessantes Vorbild für die Bemühungen unserer Zeit, europaweit den Euro durchzusetzen.
Die in Gauting gefundenen Münzen reichen von Augustus bis zu Constantin.
Ähnlich wie mit den Münzen verhält es sich mit den Gewandspangen (Fibeln), die aufgrund ihrer modischen Veränderungen helfen, Fundsituationen einzuordnen und zu datieren.

3.3.3 Metall und Werkzeug

Es wurde eine Unmenge metallischer Gegenstände, insbesondere aus Eisen gefunden. Sie zeigen die ländliche Situation Bratananiums. Den mengenmäßig größten Anteil bilden geschmiedete Nägel, die zu Hunderten zu finden sind. Ein Großteil davon stammt wohl von den Fachwerkbauten, deren hölzerner Teil im Laufe der Jahrhunderte verrottet ist.
Darüber hinaus wurden Messer, Zangen, Schreibgriffel (Stili), Bolzen, Hacken u.ä. gefunden. Die bunte Vielfalt, die gerade bei der Straßenstation auftauchte, zeigt, daß hier viele verschiedene Menschen verkehrten.

Abb. 5 Bad in Gauting

Abb. 6 Römische Standarte (Rekonstruktion)

Abb. 7 Ausgrabungen im Zentrum des römischen Bratananiums

Abb. 8 Eine Vicusstraße

Abb. 9 Kruglager

 
Aktualisiert: 27.12.2004     copyright  Gesellschaft für Archäologie und Zeitgeschichte - Oberes Würmtal e.V.